Sonntag, 12. Dezember 2010

Die Königin unter den Kirchenmäusen

Über Jerusalem tobt ein Sturm. Und dieser gewaltige Wind ist wohl daran Schuld, dass ich gestern Abend nicht mehr brandaktuell über meine Nacht in der Grabeskirche berichten konnte, da unsere Internetverbindung zusammengebrochen war. Mittlerweile habe ich Wege und Mittel gefunden, mich wieder mit dem Internet zu verbinden. Deshalb gibt es heute Morgen den Bericht zur schlaflosen Nacht in Jerusalems verrücktester Kirche.
die Türen schließen sich
die Leiter wird vom muslimischen Hausmeister zurück in die Grabeskirche gegeben
Punkt 19.00 Uhr schlossen sich die Tore der Grabeskirche. Nur an die 20 Mutige ließen sich für neun Stunden in den altehrwürdigen Mauern des Gotteshauses einschließen. Ausgerüstet mit Keksen und heißem Tee konnte uns vier Dormitianer nichts mehr erschrecken und wir wagten das Abenteuer.
es gab nun kein Zurück mehr
Es ist kaum vorstellbar, dass auch die Grabeskirche, nach den strömenden Massen von Touristen, auch einmal Ruhe finden kann. Doch ist es nachts tatsächlich möglich, die heiligsten Orte der Christenheit ausgiebig und völlig einsam zu begutachten.
der Salbungsstein, auf dem der Leichnam Jesu Christi für das Begräbnis vorbereitet wurde
Golgotha, der Ort der Kreuzigung Jesu Christi
an den Mauern finden sich überall zahlreiche, eingeritzte Pilgerkreuze
Doch wurde die Stille jäh unterbrochen. Auf Golgotha wurden die goldenen Geländer poliert und im griechisch-orthodoxen Bereich der Kirche wurde für an die zwei Stunden der Staubsauger angeworfen. Wann soll denn auch sonst geputzt werden? Was für eine verrückte Kirche! Da bleibt nur eins: Man kann sich in die Stille der Grabesädikula fliehen, an den Ort, an dem der Leichnam Jesu Christi bestattet worden ist.
sonst von Touristen überströmt, jetzt in völliger Stille: die Grabesädikula
in ihrem Innern der Durchgang zum Allerheiligsten: dem Grab Jesu Christi
Nun muss ich leider doch noch etwas theologisch werden. Im Innern der Ädikula befindet sich einer der heiligsten Orte des Christentums: das Grab Jesu Christi. Natürlich ist es leer und natürlich wird es auch als Ort der Auferstehung verehrt. Doch ist mir dabei etwas flau im Magen. Das folgende Bild zeigt dieses leere Grab und zeigt den "Ort" der Auferstehung. Doch ist die Auferstehung kein zeitliches und kein örtlich lokalisierbares Geschehen, als sei es ein bloßes geschichtliches Ereignis. Es ist überzeitlich und auch überörtlich. So wie uns ein Weihnachtslied mit dem Vers "Bethlehem ist überall" auf das Geheimnis der Krippe hinweist, so kann der Ausspruch "Ostern ist überall" helfen, das Geheimnis der Auferstehung zu verstehen. Deshalb ist das nachfolgende Foto mit einiger Vorsicht zu genießen.
die Grabbank Jesu Christi
Bis 23.00 Uhr ist etwa Stille in der Kirche (mal abgesehen von diversen Staubsaugern;-). Dann aber beginnt der große Liturgiezyklus. Griechen, Armenier und Kopten ziehen durch die Kirche, dabei stets ihre Weihrauchfässer schwingend, damit die Glöcken an ihnen auch schön klingen. Etwa um 4.30 Uhr morgens feiern schließlich die Franziskaner am Grab ihre lateinische Messe. Zu diesem Zeitpunkt waren wir aber bereits auf dem Heimweg (bereits um 4.00 Uhr öffnen die Pforten der Grabeskirche) und legten uns so schnell wie möglich in unser wohlverdientes, warmes Bett.
Ach ja, zum Titel meines Blogeintrags: Es gibt tatsächlich auch in der Grabeskirche zu Jerusalem eine Kirchenmaus. Ich würde wagen, zu behaupten, dass sich diese unter allen Kirchenmäusen dieser Erde wohl den außergewöhnlichsten Arbeitsplatz herausgesucht hat.
Mit diesen Eindrücken wünsche ich euch einen gesegneten dritten Adventssonntag! Viele Grüße, Joachim

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