Donnerstag, 16. Dezember 2010

Jüdische Präsenz in Ostjerusalem

Für diese Woche folgt nun der zweite politische Blogeintrag über Jerusalem. Nach der Flüchtlingsproblematik geht es diesmal um ein ganz ähnliches Thema: die jüdische Präsenz in Ostjerusalem. Doch was ist eigentlich Ostjerusalem? Bis 1967 war die Jerusalemer Altstadt und alle Siedlungen im Osten der Stadt unumstritten (aber nicht unumkämpft) jordanisches Staatsgebiet. Mitten durch die Stadt verlief die Grenze und Westjerusalem, die Neustadt, war Israels Hauptstadt. Zwischen den beiden Grenzen lag das Niemandsland, dort lag auch unsere Dormitio auf dem Zionsberg. Nach dem Sechs-Tage-Krieg, als Israel die Gebiete der West Bank erobert hatte und damit auch Ostjerusalem, wurde der Ostteil der Teil und auch die Altstadt de facto annektiert. Völkerrechtlich ist dieser Status allerdings außerst umstritten und keineswegs anerkannt. Dennoch begannen Israelis in der eigentlich muslimisch geprägten Altstadt und in den neuen Stadtteilen in Ostjerusalem zu siedeln. Oftmals aus patriotischen, religiösen oder fanatischen Gründen ließen sich Juden in diesen Stadtgebieten nieder, forderten dabei angeblich alten jüdischen Besitz zurück und vertrieben dadurch die arabischen Einwohner der Stadt. Die nachfolgenden Bilder wollen von dieser Problematik einen kleinen Eindruck vermitteln:
eines der Wahrzeichen des muslimischen Jerusalems: die Al-Aqsa-Moschee
sie erhebt sich über den Haram, den sogenannten Tempelberg
zu Füßen des Tempelberges brodelt es: mitten im arabischen Stadtteil Silwan unterstützt eine private jüdische Siedlerorganisation die archäologischen Grabungen in der sog. Davidsstadt, dort wo Jerusalem vor über 3000 Jahren begann; für diese Grabungen und die Errichtung eines archäologischen Besucherzentrums wird auch nicht davor zurückgeschreckt, Araber aus ihren Häusern zu jagen; Archäologie wird so in Israel häufig zum Politikum
auch in der Nähe zum Tempelberg, an prominenter Stelle, steht der goldene siebenarmige Leuchter, die Menora; auch ihre Botschaft ist unzweideutig: Wenn der Tempel wieder steht, an der Stelle des heutigen Felsendoms, dann kann der Kult sofort wieder aufgenommen werden; auch die Priestergewänder sind schon vorbereitet und werden tatsächlich Kurse angeboten, in denen den zukünftigen Priestern das Schlachten der Tiere beigebracht wird
im jüdischen Viertel selbst steht diese Judenschule; läuft man einmal daran vorbei, bekommt man eine Idee davon, woher das Sprichwort kommt: "Hier geht es zu wie in einer Judenschule!" Die Schüler rezitieren die Torahverse laut, um sie so auswendig zu lernen
auch im jüdischen Viertel steht die erst 2010 wiedererrichtete Hurva-Synagoge, die 1948 von den jordanischen Truppen zerstört worden war
auch im christlichen Viertel, sogar über den Dächern der Stadt (fast als Stadt über der Stadt), finden sich jüdische Ansiedlungen
und sogar mitten im muslimischen Viertel der Altstadt kann man jüdische Ansiedllungen ausmachen, allerdings muss man da schon genauer hinschauen: es handelt sich meist nur um ein, zwei Häuschen
auf ihren Dächern kann man dann auch Juden beim Gebet beobachten
auch im muslimischen Viertel findet sich die sog. "Kleine Klagemauer"; sie steht sicherlich im Schatten ihrer großen Schwester, doch gehört sie ebenso zur westlichen Umfassungsmauer des Tempelbezirks
auch in diese Mauerritzen werden Fürbittzettel, die Kvittelchen, gesteckt
in der Altstadt findet sich ebenfalls das Wohnhaus von Ariel Scharon, dem ehemaligen Ministerpräsidenten Israels; er hat wahrscheinlich nicht einen Tag dort gewohnt, doch will er damit wohl ein eindeutiges Zeichen setzen, wem Jerusalem eigentlich gehört
das Wohnhaus von Scharon befindet sich gleich in der Nähe des Österreichischen Hospizes
ebenfalls in Ostjerusalem, allerdings ein gutes Stück außerhalb der Altstadtmauer, befindet sich die anglikanische Basilika St. George; sie passt zwar thematisch nicht ganz zum Blogeintrag, aber ich dachte, ich quetsch sie hier noch rein;-)
Heute habe ich ein sehr dunkles Bild von Israel entworfen, doch finde ich es wichtig auch diese Seite des Nahostkonflikts einmal darzustellen. Zwar bin ich ein Freund des Staates Israel, doch muss ich damit noch längst nicht alles gutheißen, was meist hohe Politiker auf ihren goldenen Thronen treiben. Ich wünsche euch eine gute Nacht und einen schönen letzten Arbeitstag in dieser Woche, Joachim!

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