Sonntag, 27. Februar 2011

Biblio-DRAMA!

Der Tag hatte so schön begonnen. Frohgemut machten wir vier tapferen Helden uns um die Mittagsstunde auf, den strahlenden Sonnenschein des Jerusalemer Frühlings auszunutzen. Unser Ziel war Ein Kerem, ein malerischer Vorort Jerusalems. Bekannt ist er dem gemeinen Jerusalemtouristen aus dem Reiseführer, der die vielen Eisdielen und guten Restaurants lobt. Beste Voraussetzungen für einen entspannten Nachmittag. Wir wollten uns dort auf die Spuren Johannes' des Täufers begeben, der nach christlicher Tradition dort geboren wurde. Vielleicht hätte uns gleich zu Beginn aufstoßen sollen, dass Johannes alles andere als ein bequemer Zeitgenosse war und deshalb auch seinen Spuren eher beschwerlich als gemütlich zu folgen ist. Aber von vorne...
Unsere Tour begann an der renommierten Hadassah-Klinik, einem Uni-Krankenhaus am Rande des Jerusalemer Stadtgebietes. Von den Krankenhausbauten umgeben wird eine kleine Synagoge. Für sie hat Marc Chagall zwölf weltberühmte Glasfenster gestaltet, welche die Söhne Jakobs zeigen.
Unterhalb des Krankenhauses liegt Ein Kerem malerisch in den judäischen Bergen.
Auf dem kurzen Wanderweg dufteten überall die wunderschönen Mandelblüten.
Die erste Kirche der Franziskaner auf unserem Weg steht an dem Ort, an dem die schwangere Maria ihre ebenfalls schwangere Verwandte Elisabeth besuchte.
Elisabeth begrüßt voll Freude Maria.
Daraufhin antwortet Maria mit dem Magnificat. An einer Wand finden sich zahlreiche Kacheln, die das Magnificat in den unterschiedlichsten Sprachen abbilden.
In der Kirche befindet sich auch der einstige Wohnraum der Elisabeth.
Für den marienfrommen Katholiken hält die Kirche einige Highlights bereit.
Hier die Hauptapsis der Kirche.
Etwas weiter in der Dorfmitte steht die sogenannte Marianquelle, heute von einer Moschee überbaut. An ihr soll Maria auf ihrem Weg zu Elisabeth gerastet haben.
die Marienquelle
Etwas oberhalb der Quelle liegt ein russisch-orthodoxes Kloster, dessen goldene Kuppeln in der Sonne leuchten.
Die zweite Kirche auf unserem Weg steht auf dem Ort, an dem die Geburt des Täufers lokalisiert wird.
St. Johannes
Auf die Geburt seines Sohnes antwortet Zacharias mit dem Benedictus. Hier wieder auf Kacheln und wieder in den unterschiedlichsten Sprachen.
die Geburtsgrotte des Täufers
Es erinnert sehr stark an Bethlehem;-)
Hic praecursor Domini natus est.
Bis hierhin hätte es ein supertoller Sonntagnachmittagsausflug werden können. Doch berauscht von den ersten frühlingshaften Sonnenstrahlen entschlossen wir uns, am späten Nachmittag noch zu einer kleinen Wanderung aufzubrechen, zum Kloster St. Johannes in der Wildnis. Und es sollte wild werden.
Auf einem wunderschönen Wanderweg ging es unterhalb den Gebäuden der Hadassah-Klinik aus Ein Kerem heraus durch einen nach deutscher Heimat duftenden Nadelwald Richtung Kloster. Doch als es dunkel wurde, begann das Drama, unser ganz eigenes Biblio-Drama. Auf dem Weg zu St. Johannes in der Wildnis erfuhren wir das asketische Leben des Heuschreckenfressers und Kamelhaartragers am eigenen Körper. Und wie! Da kann jeder Religionspädagoge mit seinen erlebnispädagogischen Abenteuerspielchen einpacken! Wir tappten auf den Spuren Johannes des Täufers und die waren ziemlich ungemütlich:
In stockfinstrer Nacht ging es mitten durch das Dickicht. Der Weg mäanderte sich immer tiefer in ein Tal. Ab und zu verlor er sich völlig. Über Stock und Stein mussten wir uns vorkämpfen. Die Lichter der Zivilisation verschwanden immer weiter am Horizont. Die einzige Taschenlampe hatte nur noch für wenige Minuten Batterie. Hunde heulten, als die ersten Sterne zwischen den Tannennadeln glizerten. Wilde Hunde? Endlich lag vor uns eine Straße. Alle fünf Minuten kam ein Taxi vorbei. Die Taxifahrer waren aber nicht lebensmüde und nahmen keine vier dunkelgekleideten Wilden mit, die mitten im Nirgendwo aus dem Wald heraus winkten. Das einzige Handy hatte natürlich keinen Empfang. Am Fahrstreifen entlang ging es weiter Richtung Kloster. Rascheinem Auto, das rassend schnell mit blendendem Fernlicht entgegenkam, ausgewichen, schon war man in den Graben gefallen. Die Schürfwunden an der Handfläche und dem Knie werden wohl erst in ein paar Tagen verheilen. Eine Entscheidung musste her: Querfeldein ging es ohne Licht einfach bergauf. Die nächstgelegene Siedlung war unser Ziel, einfach Zivilisation anstreben.
Wo sind wir eigentlich?
auf dem Weg zurück in die Zivilisation
unsere Rettung: eine Bushaltestelle irgendwo im Nirgendwo
Keine Sorge: Wir sind wieder gesund und (fast) heil in Jerusalem angekommen. Den Weg Johannes' des Täufers nachzugehen, war trotz aller Anstrengungen ein unglaublich spannendes Abenteuer. In unserem eigenen Biblio-Drama durften wir am eigenen Leib erfahren, dass der Täufer nicht auf der bequemen und kunstvoll verzierten Marmorplatte seiner Geburtsgrotte liegen blieb, sondern sich aufmachte in die Wildnis. Das war kein einfacher und leichter Weg, sondern beschwerlich und gefährlich. Und dort in der Wildnis, am dunklen und kalten Ort, rief er die Menschen zur Umkehr auf.
Nach diesem Abenteuer des heutigen Abends bleibt mir nur noch, euch einen guten Start in die neue Arbeitswoche zu wünschen und dann sofort ins Bett zu kriechen! Viele Grüße aus Jerusalem, in dem jeder sein ganz eigenes Biblio-Drama erleben kann, Mobbi!;-)

2 Kommentare:

  1. Habt ihr das Kloster dann noch gefunden oder gibt es noch eine Expedition?
    (Komisch ich schreibe diesen Kommentar nun schon das zweite Mal...würde mich über eine Antwort freuen). Frage mich nämlich gerade wo das Kloster der Schwestern von St. Johannes in der Wildnis genau liegt und ich es auf meiner Tour einplanen soll. gruess

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  2. Das Kloster haben wir dann doch noch gefunden, aber leider zu spät. Es ist nur über den Ort Even Sapir zu erreichen, d. h. nur "von oben" zugänglich, nicht "von unten". Am bequemsten mit dem Bus 27 Aleph von der CBS nach Even Sapir anreisen und dann zum gut ausgeschilderten Kloster laufen.
    Viel Freude bei der Tour!

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