Freitag, 10. September 2010

Die Grabeskirche

Kirchenräume, zumal in der Heiligen Stadt, zeichnen sich durch Eindrücke aus, die mit allen Sinnen aufgenommen werden können. Es riecht nach Weihrauch und Kerzenwachs. Nach dem gleißenden Licht der Sonne müssen sich die Augen erst an die Schummrigkeit gewöhnen. Die Haut schwitzt in der angestauten Hitze und sauerstoffarmen Luft. Und zumeist hört man nur das leise Säuseln eines singend betenden Mönches...
Treffen die ersten Punkte sicherlich auch auf die Grabeskirche zu, so kann von einem leisen Säuseln eines einsamen Mönches dort keine Rede mehr sein: Gerade dort, am Ort der Kreuzigung und Auferstehung, scheint ein religiöser Abendteuerspielplatz eingerichtet zu sein. Die unterschiedlichen christlichen Konfessionen streiten sich über die Besitzverhältnisse und unzählige übermotivierte Pilger streiten sich über die besten Plätze in der Schlange zum Grab Christi.
Eingang zur Grabeskirche
Vor Golgotha weist ein noch übermotivierterer Mönch mit christlicher Freundlichkeit darauf hin, dass keine Fotos geschossen werden dürfen. Notfalls wird er dabei auch schon mal handgreiflich.
Golgotha
Alles in allem, wenn man das Gedränge, den Lärm und auch den Müll (!!!) auf sich wirken lässt, scheint dieser heilige Ort wirklich verstörend zu sein.
Dann sollte man sich nach innen wenden. Weihrauch, Kerzenwachs, Sonnenlicht, Hitze und Sauerstoffarmut beiseite lassen. Sich auf das Wesentliche konzentrieren. Dann kann man hier inmitten des Trubels tatsächlich Ruhe finden.
Aber stellt man sich in die Reihe der beharrlich wartenden Pilger und kann für fünf Sekunden einen Blick in das leere Grab werfen, wird man vom netten Mönch sofort wieder in den überfüllten und lauten Kirchenraum zurückgezogen. Aus dem Grab zu den Lebenden. Von den Toten zurück in die Lebendigkeit. Was sucht ihr auch den Lebenden bei den Toten?
die Botschaft des Engels am leeren Grab (Ikone im russischen Alexander-Hospiz)
Der ganze Trubel rund um das leere Grab, er kann somit zum Sinnbild für die Auferstehung werden. Der Ort der Kreuzigung wird ein Ort des Lebens, mit allem, was zum Leben dazugehört. Auch Gedränge, Lärm und Müll. Doch das erdet den Glauben. Der Gläubige muss sich nicht nach innen und oben verbiegen, muss in ein Grab kriechen und dort still sein. Der gläubige Mensch darf Weihrauch und Kerzenwachs riechen, darf die Augen im gleißenden Licht zusammenkneifen, darf schwitzen in der angestauten Hitze und sauerstoffarmen Luft! Der Mensch hat eben eine Innen- und eine Außenseite! Der Mensch ist Leib und Seele!
Ich wünsche euch allen eine gute Nacht und ein schönes Wochenende! Mobbi

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen