Mittwoch, 22. September 2010

Yad Vashem

Seit 1965 pflegt die Bundesrepublik Deutschland sehr gute diplomatische Beziehungen mit dem Staat Israel. Diese Verbindung zu Israel und zum Volk der Juden ergibt sich aus dem deutschen Selbstverständnis heraus. "Deutschland steht in einem einzigartigen Verhältnis zu Israel. Dies ist begründet durch die Verantwortung Deutschlands für die Shoa, den systematischen Völkermord an etwa sechs Millionen Juden Europas in der Zeit des Nationalsozialismus." So ist auf den Seiten des Auswärtigen Amtes zu lesen. Die Shoa ist wohl das dunkelste Kapitel in der deutschen Täter- und in der jüdischen Opfergeschichte.
Der Staat Israel hat eine Anlage aus mehreren kombinierten Denkmälern geschaffen, die an diese Geschichte erinnern soll: Yad Vashem. Der Name des Denkmals, vielmehr der Denkmäleranlage, geht auf ein biblisches Zitat zurück: "[I]hnen allen errichte ich in meinem Haus und in meinen Mauern ein Denkmal, ich gebe ihnen einen Namen, der mehr wert ist als Söhne und Töchter." (Jes 56,5) Yad Vashem heißt deshalb aus dem Hebräischen übersetzt "Denkmal und Name".
Nachfolgend möchte ich euch anhand von einigen Bildern die verschiedenen Denkmäler kurz vor Augen führen:
Säule des Mutes: dieses den Schornsteinen der Vernichtungslager nachempfundene Mahnmal erinnert an den jüdischen Widerstand
Gedenkstätte für den Arzt und Waisenhausleiter Janusz Korczak, der 1942 die Kinder seines Waisenhauses ins Vernichtungslager Treblinka begleitete, obwohl er sich hätte retten können
Lebensbaum für die jüdischen Partisanenkämpfer, die sich in den Wäldern versteckt hielten
Erinnerung an die in den alliierten Armeen dienenden jüdischen Soldaten und an den jüdischen Widerstand
Erinnerung an den Warschauer Gettoaufstand 1943: Juden fliehen vor den unpersönlich dargestellten (nur Helme sind im Hintergrund sichtbar) Soldaten; das Bild erinnert sehr stark an das Motiv des Auszugs aus Ägypten
Allee der Gerechten unter den Völkern: jeder Baum an dieser Allee steht für einen Nichtjuden, der unter Einsatz seines Lebens versucht hat, Juden vor der Shoa zu retten; dieser Baum steht für Oskar Schindler
da die Allee mittlerweile die ganze Anlage umläuft, die Zahl der Gerechten unter den Völkern aber immens hoch ist, werden neue Namen auf Steintafeln verewigt: hier sind unter anderem zwei prominente Namen zu finden, Hans von Dohnanyi (deutscher Widerstandkämpfer) und Josef Höffner (späterer Erzbischof und Kardinal von Köln)
Viehwagengedenkstätte: hoch über dem Tal wurde ein Viehwaggon der Deutschen Reichsbahn installiert, mit dem Juden in die Lager transportiert wurden
die Aufschrift ist noch zu erkennen
Yad Vashem besitzt einen direkten Verbindungsweg zum sogenannten Herzlberg. Dort befindet sich als Denkmal von nationaler Wichtigkeit das Herzlgrab. Theodor Herzl (1860-1904) war Begründer des modernen politischen Zionismus. Der Zionismus ist eine nichtreligiöse Bewegung, die den Staat Israel als einzigen Lebensraum des jüdischen Volkes ansieht.
Nach diesem kurzen Überblick möchte ich noch zwei Denkmäler erwähnen, die besonders eindrücklich sind. Zum einen ist das Kinderdenkmal zu erwähnen. Es ist von der Gesamtanlage her als Grabhöhle gestaltet, in der Dunkelheit spiegeln sich 5 Kerzenflammen unzählige Male wieder und symbolisieren so die 1,5 Millionen Kinder, die während der Naziherrschaft ermordet wurden. Eine Stimme liest ununterbrochen Name, Alter und Herkunftsort dieser Kinder vor.
über dem Eingang des Kinderdenkmals finden sich diese Stahlstreben: sie symbolisieren das Fundament eines (Lebens)hauses, das nie gebaut werden konnte
Dieser Ort erweckt wohl in jedem Besucher eine große Betroffenheit. Ich persönlich wurde aber von einem eher unspektakulären Denkmal betroffen gestimmt, dem sogenannten Tal der Gemeinden. Die Anlage ahmt die europäische Landkarte nach und auf Steintafeln finden sich die europäischen Orte vermerkt, in denen nach 1933 noch eine jüdische Gemeinde bestand, die mehr als 50 Mitglieder hatte.
dort findet sich unter anderem Dinkelsbühl, Ansbach, Gunzenhausen, Treuchtlingen...
...aber auch Oettingen und Nördlingen
Dieses Denkmal zeigt, welch große jüdische Präsenz auch in unseren Heimatorten herrschte. Darüberhinaus wird deutlich, wieviel Lebenskultur durch die absurde und schreckliche Naziideologie vernichtet wurde.
Yad Vashem ist ein Gedenk-Ort, der betroffen macht. Der Besucher wird mit den Ereignissen der Shoa konfrontiert, einem systematischen, gar industrialisiert perfektionierten Völkermord. Besonders als Deutscher berührt die dargestellte Geschichte, da viele Plakate, Parolen und Videomitschnitte auf deutsch ausgestellt sind. (Übrigens wird nicht jeder Deutsche an sich und vor allem nicht das jetzige Deutschland kollektiv als Täter dargestellt!) Yad Vashem ist aber auch ein Erinnerungs-Ort, der Hoffnung gibt, dass sich eine solch schreckliche Geschichte nie mehr wiederholen wird. Aber Yad Vashem ist auch ein National-Ort, der wütend macht. Die oft politische, gar ideologische Verbindung mit dem Zionismus stößt sauer auf. Der Zionismus kann die Shoa deuten als Beweis, seine These sei richtig, dass der einzig sichere und legitime Lebensraum des jüdischen Volkes der Staat Israel ist. Die Shoa wird damit als Auslöser eines neuen Exodus ins Gelobte Land gedeutet. Ob diese Deutung der kaltblütigen Ermordung von 6 Millionen Juden gerecht wird, bleibt zu fragen!
Mit diesen schweren Gedanken muss ich euch heute in díe Nacht entlassen! Morgen kann ich von erfreulicheren Themen berichten! Bis dahin! Joachim

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